Leere Gesichter buchstabieren

Wenn du Lust hast, beschreib
den vollen Mond
und das alte Weib
auf dem Plastikschemel darunter.
Nur immer drauf los,
hier wird niemand verschont.

Radio und Marienbildnis,
ganz leise Choräle
und Trauergesang:
An den Ku’damm verschlagen
aus der russischen Wildnis,
und jetzt in der Hoffnung
auf Kleingeldempfang.

Ein Spiegel, ein Kamm,
eine künstliche Rose.
Die Beine vom Schemel
sind klapperig lose.
Christlicher Voodoo macht
die Gedanken ganz klamm.

Nackte Püppchen frieren sich
die Plastikärsche ab.

Sie merkt die Gicht schon in allen vieren,
und reibt sich die hornigen Hände wund.
Von seligen Gebern fehlt jede Spur –
als bleibende Übung gilt daher nur:
unsre leeren Gesichter zu buchstabieren.

(veröffentlicht im um[laut] magazin # 10 / Oktober 2011)

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